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Lebensdauer von Massenspeichern

iPanzerglas hemmt Datenfraß

Wärmestau? Feuchtigkeit? Blackouts? Hacking? Die größte Bedrohung für Archivdaten bleibt der Alterungsprozess der Speichermedien. Wie lange kann man sich auf Tape, Blue-Ray-Discs, HDD oder SSD verlassen?


Ein Beitrag für storage-insider.de, November 2019


Auf die maximale Lebensdauer gängiger Hardware-Systeme lassen sich die Hersteller ungern festnageln. Kingston, Weltmarktführer in den Sektoren für Solid-State-Laufwerke, Hard-Disc-Drives und SD-Karten, gewährt beispielsweise fünf Jahre Garantie auf seine Produkte. Bis wann der Kunde seine Daten darüber hinausgehend sicher verwahren kann, bleibt jeweils vom Nutzerverhalten abhängig. Wie trocken oder kühl ist es im Rechenzentrum? Wie viele Schreibvorgänge muss das Medium verkraften, bevor der Datenfluss löchrig wird?

Eine mesopotamische Keilschrift in gebranntem Lehm konnte nachweislich Jahrtausende überdauern. Sämtliche Erfindungen der letzten anderthalb Jahrhunderte benötigen hingegen ihr ganz eigenes Lesegerät oder eine entsprechende Software: von Schellackplatten über Lochkarten, magnetische Bänder oder Disketten und in Polykarbonat modellierte CD-R-Inhalte bis hin zu modernen Solid-State-Drives. Ob sich 2070 also noch Informationen des Jahres 2020 auslesen lassen, geschweige denn Codierungen der 1990 üblichen Standards?

Bis vor kurzem wurden in sensiblen Bereichen tatsächlich noch achtzöllige Floppy-Disketten verwendet, wie sie in den PCs der 1980er üblich waren: Die Steuerung ihrer Atomwaffensysteme wollte die US-Armee in den letzten drei Jahrzehnten keinesfalls instabilen Entwicklungen überlassen. Erst vor kurzem begann man mit dem Umstieg auf SSD-gestützten Datentransfer.
Passendes Equipment wären externe SSDs, wie sie von Herstellern wie Seagate angeboten werden: IP67-zertifizierte Einheiten, die Feinstaub-Attacken, Stürze aus drei Metern Höhe, einen Aufprall mit der Wucht von zwei Tonnen oder die halbstündige Versenkung in einem metertiefen Wasserfass problemlos überstehen.

Auch Banken, Versicherungen, Energieversorger oder Wasserwerke verfügen bis heute über urwüchsige Gerätschaften, „im aktiven Einsatz“, wie der Bonner Hardware-Distributor Incom Storage notiert, „die man sonst nur im Museum erwartet“. 

1.000 Jahre: Microfiche

Bislang konkurrenzlos sind Mikrofilme aus Zelluloid. Digitalisierte Daten werden im COM-Verfahren darauf festgehalten. Sie werden seit den 1860ern verwendet und sollen bis zu tausend Jahre überdauern können.

200 Jahre: Blue-Ray

Der neueste Blue-ray-Entwicklungsstand dürfte die Wahl möglicherweise erleichtern, ob man vor allem langfristig zu speichernde Unternehmensdaten eher auf einem optischen Medium als auf Tape sichert. BD-XL-Exemplare sollen in der Klimakammer dank einer Glasur, auf der selbst Misshandlungen durch Stahlwolle keine nennenswerten Kratzspuren hinterlassen, eine Mindesteinsatzzeit von zwei Jahrhunderten erreichen. Herstellerseitig gelten 50 Jahre als zertifiziert.

100 Jahre: CD-R

Die Lebenserwartung herkömmlicher CD-Rs ist seit deren Einführung in den 1980ern stark gesunken; in der ersten Euphorie galten sie als praktisch unbegrenzt haltbar. Die Backup-Scheibchen mögen neben Feinstaub, Kratzern, Aufklebern, Lösungsmitteln aus Beschriftungen und Handschweiß-Spurenelementen aus Fingerabdrücken keine Temperaturen über 25 Grad, keinerlei Sonnen- oder Halogenlicht und im engen Kanal zwischen 40 und 60 Prozent Feuchtigkeitsgehalt weder zu trockene noch zu feuchte Luft, sonst werden sie je nach Fertigungsqualität schnell so unleserlich wie das längst verblichene Papier aus einem Faxgerät des zweiten Jahrtausends.
Spitzenprodukte sind Discs mit Goldauflage. Ihnen traut man ähnlich wie Blue-rays zu, ein- bis zwei Jahrhunderte lang entzifferbar zu bleiben.

30 Jahre: LTO-Cartridge

Die magnetische Bandaufzeichnung nach LTO-Standard wird ungebrochen als unkomplizierter Mechanismus geschätzt, vor allem in hybriden Cloud-Systemen. Ihre Langlebigkeit hängt jedoch stark von den Lagerbedingungen und den Schreibzyklen ab, weil das Band rein physisch abgenutzt wird. Langzeitspeicherungen gelten etwa ab der 250. Überschreibung als kritisch. 

10 Jahre: SSD, USB-Stick, SD-Card

Der größte Problemfaktor bei der Langlebigkeit von SSDs liegt in der Natur der Schreibzyklen. Je weniger, desto besser. Toshiba beispielsweise gewährt die problemlose Funktionalität seiner aktuellen XD5 für fünf Jahre – bei täglichen Schreibvorgängen über die gesamte 4-TB-Kapazität hinweg:

5 Jahre: HDD

Selbst integrierte Sensoren, die Rotationsvibrationen ausgleichen helfen, reichen nicht aus, um der klassischen Festplatte bei ständiger Inanspruchnahme ein allzu langes Leben zu garantieren. HDDs sind zudem stoßempfindlich und reagieren allergisch auf Luftfeuchtigkeit und störende Magnetfelder. Mehr als drei Jahre Herstellergarantie sind nicht drin. Stabil gelagerten externen Festplatten werden zehn Jahre zugeschrieben, bis man ihre Daten transferieren sollte.  

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