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Legenden der elektrischen Gitarre: Yngwie Malmsteen

Vulkan und Virtuose

Echte Sternstunden der Menschheit sind auf Charakterköpfe beschränkt, die etwas Einzigartiges erreicht haben. Meist auf der Messerkante zwischen Genie und Wahnsinn. Lars Lannerbäck alias Yngwie Johann Malmsteen, der sich als Nachfolger von Zaubergeiger Niccolo Paganini begreift, hat beides zu bieten.
 

„Der Messias erschien in der Zeche zu Bochum und predigte dort seinen Jüngern“, schrieb der Metal Hammer 1985 anlässlich von Yngwie Malmsteens erster Europatour. Dem blutjungen Mitbegründer der Spielkunst des Neoclassical Power-Shred wurde unverzüglich nach seiner Landung auf dem Rockplaneten ein Platz neben Jimi Hendrix, Ritchie Blackmore und Eddie van Halen als Götterbote der elektrisch verstärkten Gitarre eingeräumt. Dennoch ist er unter Fans wie Feinden seit jeher heiß umstritten.

 
Der Schwede mit Wohnsitz Miami ist Künstler durch und durch. Ein Besessener in eigener Sache. Sein Spielgefühl und seine Technik, die selbst bei Figuren in Lichtgeschwindigkeit jede einzelne Note akzentuiert, sind sagenhaft, sein griffiges Songwriting offenbart etliche Highlights. Schon als Jugendlicher löste er eine musikalische Revolution aus. Als Komponist hat er deutliche Spuren hinterlassen und inspirierte zahllose orchestrale Powerhouse-Acts; als Instrumentalist ist er unerreicht. Denn seine Finessen sind schlicht nicht zu kopieren. Das betonen vor allem Kollegen wie Joe Satriani („übermenschlich“), Steve Vai („überirdisch“) und Zakk Wylde („es gibt gute Gitarristen, es gibt grandiose Gitarristen – und dann gibt es jene, die die Spielregeln neu definieren“). Die Herren werden wissen, wovon sie sprechen. 


Tennisschläger im Waffenschrank


Als Persönlichkeit wirkt er deutlich zwiespältiger. Yngwie ist ein überaus freundlicher und humorvoller Zeitgenosse. Wenn er gerade entsprechend aufgelegt ist. Ansonsten kann man ihn, vor allem in Interviews, bei denen er nie ein Blatt vor den Mund nimmt, auch als zickige Diva erleben. Oder als trotzigen kleinen Bub. 


Der unerreichte Zauberkünstler auf ausgefeilten Bünden, Superstar in Japan und Brasilien, offenbart ganz privat mitunter die schillernden Profilneurosen eines launischen, neureichen, zwölf Jahre alten Jet-Setters: Lars-Yngwie spielt pro Tag „mindestens fünf Stunden Tennis“, weil er „sehr, sehr, sehr wenig Zeit“ hat, feiert vor Publikum auf der Bühne seine wachsende Edelarmbanduhrensammlung („Warum bloß hab ich rechts und links ‘ne Rolex – na, weil ich’s mir leisten kann!“), lässt sich x--mal auf der Motorhaube seines aktuellen Ferrari-Bolzens ablichten, fährt mit seinem Zweitwagen („Natürlich ein Rolls!“) zum Sonnenstudio oder ölt seinen Waffenschrank. Malmsteen – in jungen Jahren berühmt für seine kniend ins Publikum abgefeuerten Gitarrensalven – hortet laut eigener Aussage „einen Haufen Magnums, Berettas, Colts, Jagdgewehre, Maschinenpistolen, Maschinengewehre, Pumpguns und Panzerfäuste – was man halt so braucht“.


Man hat Malmsteen oft nachgesagt, er würde sein Kindheitsidol Ritchie Blackmore kopieren. Aber nachgeahmt hat er den Deep-Purple-Giganten offensichtlich zuletzt im Alter von zwölf Jahren, als er bereits sämtliche Gitarrenparts von Purples Made in Japan exakt zu analysieren und perfekt nachzuspielen vermochte. Danach ging er seinen eigenen Weg. Letztlich sind die beiden wohl einfach vom gleichen Schlag: zwei radikale Eigenbrötler und Innovatoren mit Hang zu barocken Komponisten, die ihre Tonabnehmer selbst wickeln und Fender Guitars wie Marshall Amplifiers
lebenslange Treue geschworen haben.


Schicksalstage


Am 30. Juni 2013 ist Yngwie Malmsteen 50 Jahre alt geworden. Wenn es das Schicksal böse mit ihm gemeint hätte, wäre er so berühmt geworden wie Jimi Hendrix: als Toter. Am 22. Juni 1987 fuhr er in Los Angeles nicht angeschnallt und gehörig alkoholisiert mit seinen Jaguar E ungebremst gegen einen Baum und lag eine Woche lang im Koma. Ein Blutgerinnsel im Gehirn blockierte die Kontrolle über seine Picking-Hand. Innerhalb weniger Monate gelang es ihm, sich wieder an das gewohnte Level heranzurobben – „und sogar darüber hinaus“, wie er betont. 


All das hatte er zu bewältigen, obwohl kurz darauf seine Mutter an Krebs starb und er gleichzeitig damit konfrontiert wurde, dass sein Manager ihn bis aufs Hemd ausgeplündert hatte, wie er in seinen Memoiren Relentless enthüllt: „Andy Trueman besaß zwei Rolls-Royce-Cabrios, einen Cadillac, einen Range Rover, einen Porsche, ein Penthouse in Hollywood, eine Villa im Valley, ein Strandhaus in Malibu – und ich war sein einziger Klient!“ Als sich die Arztrechnungen stapelten, stellte sich heraus, dass Trueman nicht einmal die Krankenversicherungsbeiträge seines Schützlings beglichen hatte. 


„It’s my way – or the highway!“


Yngwie ist seit jeher eine Kämpfernatur. Denn Talent alleine ist nicht alles. Nachdem der Sprössling einer musikalischen Familie im Alter von sieben Jahren die Gitarre für sich entdeckt hatte (er spielt auch Klavier und Schlagzeug), gab es für ihn keinen anderen Lebensinhalt mehr als die Musik. Die Bilder eines gewissen Jimi Hendrix, der auf der Bühne seine Stratocaster in Brand steckte, und das Deep-Purple-Album Fireball hatten ihn vollkommen entflammt. Das Leben des manischen Autodidakten bestand fortan hauptsächlich aus Gitarren, „bis meine Finger bluteten“


Trotz guter Noten sah der geborene Draufgänger keinen Sinn darin, regelmäßig die Schule zu besuchen. Im Schweden des sozialen Ausgleichs wurde er dennoch nicht gemaßregelt. Stattdessen versuchte man, seine musikalischen Neigungen zu fördern. Die Schulleitung brachte ihn für ein Praktikum bei einem renommierten Gitarrenbauer unter. Dort warf der gewiefte Bastler und Tüftler („in einem anderen Leben wäre ich wahrscheinlich Uhrmacher geworden“) allerdings schnell die Brocken hin, weil man seine handwerklichen Fertigkeiten nicht ernst nahm und ihn zum Bierholen und Kloputzen abkommandierte. Immerhin erspähte er in der Werkstatt des Zupfinstrumentenmachers zum ersten Mal ein Instrument mit ausgefeilten Bünden, im Fachchinesisch scalloping genannt. „Von da an habe ich alle meine Gitarren so bearbeitet.“ 


Aber auch die anschließende Aufnahme in ein Konservatorium wurde zum Fiasko in Yngwies pädagogischer Personalakte. Der 14-Jährige konnte mit den zehn Jahre älteren Musikstudenten und dem steifen Lehrplan nichts anfangen. Mit 15 schmiss er endgültig die Schule. 


Nicht einmal die weltweit spürbare Eruption einer Gitarre in den Fingern eines gewissen Edward van Halen durchdrang Ende der Siebziger seinen Kokon. Yngwie hatte ein ganz eigenes Ziel vor Augen, nachdem er in den Violinkonzerten von Zaubergeiger Niccolo Paganini den missing link für sein Spiel aus Blackmore- und Hendrix-Einflüssen entdeckt hatte.

 
Rund um die Uhr verbarrikadierte er sich mit seinen Instrumenten im Keller des Hauses seiner Großmutter, in einem altertümlichen Tonstudio, das ein Onkel 1950 eingerichtet hatte. Dort entwickelte der Teenager seinen Stil, seinen Ton und seine virtuose Fingerfertigkeit: „Ich habe bis zu 18 Stunden am Stück Gitarre gespielt. Freie Tage gab es nicht. Ich bin nun mal Extremist.“ 


Parallel stellte er erste Bands mit teils wesentlich älteren Mitspielern zusammen, bei denen er mit eiserner Faust als Gitarrist und Sänger die „volle Kontrolle“ übernahm – „und bei diesem Prinzip bin ich bis heute geblieben. Alles oder nichts. It’s my way – or the highway!“  


Es muss qualmen!


Mit 13 kaufte er für einen Spottpreis ein halbes Dutzend alter Marshall-Stacks auf: „Wo andere einen Marshall auf die Bühne stellten, hatte ich sechs oder sieben.“ Für gehöriges Aufsehen bei lokalen Gigs sorgten seine unablässig qualmenden Nebelmaschinen und das Spiel auf flambierten Gitarren, ganz nach der Art von Jimi Hendrix. Lampenfieber war ihm von Beginn an ein Fremdwort. Yngwies Motto: „No smoke, no Marshalls – no show!“ 


Sein Image als Rowdy war recht früh ausgeprägt. In manchen Musikläden gerieten die Verkäufer schon bei seinem Anblick in Panik, weil er grundsätzlich Amps bei elf ausprobierte und mit Vorliebe Tremolo-Hebel abknickte. Selbst um den obligatorischen Militärdienst kam er herum, weil die Verantwortlichen es nicht riskieren wollten, einen offenbar total Durchgeknallten mit einer geladenen Waffe auszurüsten.


Als 16-Jähriger landete er auf der Titelseite der größten schwedischen Tageszeitung, nachdem er mit seinem Nachwuchstrio bei einem Festival namens Woodstockholm sämtliche etablierten Acts von der Bühne geblasen hatte. Seine Versuche, im eigenen Land einen Plattenvertrag zu ergattern, scheiterten jedoch allesamt – unter anderem „weil ich meine Songs auf Schwedisch singen sollte. Dabei hatte ich längst ein internationales Publikum im Auge.“ 


1982, als er sich noch mit Hut und Klampfe in U-Bahn-Stationen oder mit Tuning- und Reparaturjobs durchschlug, antwortete er mit einem Demo-Tape auf die Talentsuche des amerikanischen Gitarristen und Labelbesitzers Mike Varney im Guitar Player. Die Reaktion des Gründers von Shrapnel Records, selbst gerade 24 Jahre alt, kam prompt. Wenige Wochen später saß Malmsteen in einem Flieger Richtung Kalifornien, um einer Newcomerband namens Steeler bei deren Debütalbum auszuhelfen. Außer einer Zahnbürste und einer Zweitjeans im Gitarrencase praktisch ohne Gepäck. Er sollte seine Heimat erst drei Jahre später wiedersehen. 


Einen passenderen historischen Zeitpunkt hätte Malmsteen kaum erwischen können: Die Hardrock- und Metal-Szene in Los Angeles sowie rund um die Bay Area von San Francisco stand kurz vor dem Urknall. Acts wie Metallica und Mötley Crüe lebten noch in Löchern, aber in den Live-Clubs von Hollywood und Oakland wurden längst die Grundsteine für spätere Weltkarrieren gelegt. 


Teufelszeug & heiße Ohren


Yngwies Anfänge in den Staaten entwickelten sich abenteuerlich – und das nicht nur, weil sein Flieger in San Francisco eine halbe Bruchlandung hinlegte. Die Unterkunft von Steeler befand sich in einem üblen Ghetto-Viertel von L.A., und zu Yngwies Verblüffung musste er ohne Amp zurechtkommen: Die Jungs hatten ihre Verstärker längst verkauft, um sich über Wasser halten und die Proberaum-Miete bezahlen zu können. Der Drummer drummte, der Sänger summte, und der Rest hampelte tonlos herum und übte Bühnen-Posen ein. 


Nach den Aufnahmen für das Album im Hühnerstall einer Farm im Outback sowie einer Handvoll Gigs zog Yngwie weiter. Die streng gläubige Band um Frontmann Ron Keel machte drei Kreuze. Die Landeier aus Tennessee waren froh, ihn wieder los zu sein. Sie hatten längst vermutet, der seltsame Europäer habe seine Seele im Tausch gegen sein überirdisches Spiel an den Teufel verkauft.


Seine nächste Station lag gleich ein paar Stockwerke höher. Auch mit der All-Star-Band um Ex-Rainbow-Stimmwunder Graham Bonnet nahm Yngwie umgehend ein Album auf, für das er zudem den Löwenanteil des Songwritings übernahm. Danach ging es auf ausgedehnte US-Tour. 


Bei Alcatrazz war nach schwerem Stunk während eines Clubgigs schnell Feierabend. Yngwie hatte Bonnet mitten im Set umgeboxt, weil der ihm während seines Soloparts die Stecker aus dem Amp gezogen hatte: „Ich habe nun mal das Temperament eines Vulkans. Wenn es drauf ankam, jemanden anzubrüllen oder umzuhauen, hab ich’s getan.“
 
„Wir wissen, wer ihr seid. Wir wissen, wo ihr wohnt. Wir machen euch das Leben zur Hölle!“
 
Sein Ruf als Sensation am Gitarrenhimmel hatte sich so blitzgeschwind verbreitet, dass die Plattenfirmen für das erste Soloalbum des 19-Jährigen Schlange standen. Das überwiegend instrumentale Yngwie Malmsteen’s Rising Force schlug dank Meisterstücken wie „Black Star“ oder „Far Beyond the Sun“ ein wie die sprichwörtliche Bombe. Selbst in den US-Albumcharts stieg die Scheibe bis auf Platz 60. „Noch zu Schulzeiten hätte ich mich als Versager gefühlt, wenn mein Name mit 20 nicht mindestens auf einem Stück Vinyl gestanden hätte. Am Ende waren es drei.“ 


Und das nächste Jahrhundertalbum kam sofort hinterher: Marching Out strotzte nur so vor packenden Kompositionen mit roher Produktion, deren Riffs und Melodien Malmsteen teilweise bereits als 15-Jähriger geschrieben hatte. 


Zudem hatte er eine bärenstarke Besetzung zusammengestellt. Neben Yngwie brillierten die beiden Brüder Jens (Keyboards) und Anders Johansson (Schlagzeug) sowie Basser Marcel Jacob – obwohl „Marre“ hauptsächlich live gefordert war, denn Yngwie bestand wie bei jedem seiner Alben darauf, die Bässe selbst einzuspielen. Die vier hartgesottenen Schweden wurden perfekt ergänzt durch einen amerikanischen Sangesgott: Der erst 19 Jahre alte Jeff Scott Soto hatte bereits die beiden einzigen Vocal-Tracks des Solo-Debüts im ersten Take gemeistert. 


1986, bei Solowerk Nummer drei, thronte Malmsteen längst auf dem Rock-Olymp. Die Aufnahmesessions für das superbe Trilogy kosteten ein Vermögen. Das noble Studio war für vier Monate am Stück gebucht worden. Zuvor hatten Yngwie und die Johansson-Brüder mit Sauforgien und nächtlichen Songwriting-Attacken bei ohrenbetäubender Lautstärke eine Bungalowsiedlung in Canoga Park in den Wahnsinn getrieben, wo Meister Malmsteen und seine Schergen ein Häuschen mit Pool nach allen Regeln der Kunst zerwohnten. 


Als die drei Wikinger abrückten, ließen sie ein völlig demoliertes Eigenheim und eine stinkwütende Bürgerwehr zurück, die ihnen bereits schriftlich mit Bomben, Rauch, Feuer und Schwert gedroht hatte: „Wir wissen, wer ihr seid. Wir wissen, wo ihr wohnt. Wir machen euch das Leben zur Hölle, falls ihr euren Scheißdreck nicht endlich leiser dreht!“


Der Rubel rollt nicht


Mit dem vierten Album Odyssey, das nach Yngwies Unfall in Kalifornien erschien, ging es in den Charts weltweit noch höher hinaus. Allerdings sorgte die anschließende Tour für ein böses Erwachen, denn er war ein weiteres Mal bankrott: Nach Abzug aller Unkosten blieben ihm ganze 18 Dollar Gewinn, weil sein Übergangsmanager das Geld on the road eimerweise aus dem Fenster gefeuert hatte. Malmsteens Glück im Unglück: Ihm lief zur Abwechslung mal ein seriöser Businessmann über den Weg: „Ein Jahr, nachdem Nigel Thomas meine Geschäfte übernommen hatte, war ich Millionär.“


Nicht mehr verhindern konnte allerdings auch Thomas, dass Yngwies Label Polygram die Rechte an Trilogy für lumpige 3.000 Dollar an die staatliche Moskauer Plattenfirma Melodiya vertickte. In der Sowjetunion wurden danach 14 Millionen Exemplare von Yngwies Masterpiece verkauft. „Davon habe ich nicht einen einzigen Rubel gesehen.“ Immerhin ergab sich durch diesen gigantischen Erfolg die Chance, als erster westlicher Künstler überhaupt 20 ausverkaufte Arena-Shows hinter dem Eisernen Vorhang absolvieren zu dürfen. Der Mitschnitt Live in Leningrad avancierte zu seinem ersten Longplay-Livealbum. 


Herzenswünsche


In den neunziger Jahren veröffentlichte Yngwie weiterhin in Serie hochklassige Alben, geriet aber mit dem Zeitgeist aneinander und wurde außerhalb seiner Fanmeile als Auslaufmodell abgetan. Vor allem die mit Ohrwürmern gespickten und höchst ausgereift produzierten Longplayer Eclipse und Fire & Ice gingen im Alternative-Rock-Hype buchstäblich unter. Über die Grunge-Ära, die er „das dunkle Zeitalter“ nennt, kann er sich immer noch aufregen wie kein Zweiter: „Wenn du damals fähig warst, eine Gitarre unfallfrei zu stimmen, hast du schon zu den Überqualifizierten gehört.“ 


Auch Magnum Opus oder The Seventh Sign sind Scheiben, die in Malmsteens Gesamtwerk respektable Plätze einnehmen, ebenso wie das Cover-Album Inspiration und sein zweites Live-Album Live!, das er als Pionier auf dem südamerikanischen Konzertmarkt im Rahmen der Seventh-Sign-Tour vor stimmgewaltigem Publikum in Brasilien mitschneiden ließ.
1997 erfüllte er sich einen Lebenstraum und nahm mit den Tschechischen Philharmonikern sein abendfüllendes Concerto für E-Gitarre und Orchester in Es-Moll auf, das er eigens für den gesamten Klangkörper komponiert hatte. Spätestens mit diesem opulenten Werk löste er sich endgültig von seinem „ewigen Schatten“ Ritchie Blackmore, denn die Partitur für Deep Purples Concerto for Group and Orchestra von 1969 stammte aus der Feder von Keyboard-Legende Jon Lord.


Gegen Ende des letzten Jahrhunderts holten Malmsteen erneut geschäftliche Fehlentscheidungen ein, obwohl er alleine durch seinen Status als Superstar in Japan stets gut versorgt war: Nach dem plötzlichen Tod von Nigel Thomas 1993 vertraute er zum zweiten Mal einer zwielichtigen Figur, die über lange Zeit einen Großteil seiner Einnahmen unterschlug. Erst seit seiner Heirat mit April, die seine Geschäfte in Sharon-Osbourne-Manier verwaltet, bleibt jeder Dollar in der Familie.


Mittlerweile hat sich Malmsteens vulkanisches Temperament ein klein wenig abgekühlt, zumal die Zeiten seiner Alhoholexzesse („seit 2006 bin ich trocken“) vorbei sind. Die kompositorische Qualität seiner Alben nach der Jahrtausendwende hat unter Kennern zwar ein bisschen gelitten. Aber das bleibt Geschmacksache. Denn eines kann man ihm im Gegensatz zu vielen Wendehälsen nicht vorwerfen: dass er je seinen Stil geopfert hätte, um sich dem flavour of the month anzubiedern. Alle Welt baut Humbucker-Tonabnehmer in Stratocaster-Gitarren ein oder stimmt die Klampfen tonal herunter, um postmoderne Sounds anbieten zu können? Yngwie nicht. Er begreift seine Arbeit als Gesamtkunstwerk, inklusive der Lyrics und Gesangsmelodien aller seiner Alben. Zudem betrachtet er seine Musiker als Ensemble-Mitglieder, die das umzusetzen haben, was der Komponist vorgibt. Speziell mit Leadsängern ergab das im Laufe der Jahre den einen oder anderen Konflikt. „Es war von Beginn an ein Missverständnis. Rising Force war außer auf Tour nie eine Band.“ 


Auch für den Vorwurf von Kostverächtern und Erbsenzählern, er solle doch mal „weniger Noten spielen“ wird er niemals Verständnis aufbringen: „Ich kann nicht verstehen, warum weniger mehr sein soll. Wo ist da der Sinn? Für mich gibt’s nur eins: Mehr ist mehr!“
 
 


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